Inklusion statt Ausgrenzung – was in manchen Unternehmen selbstverständlich ist, ist für andere vielleicht nur ein Feigenblatt, das sich im Geschäftsbericht gut macht, die Zahlung von Ausgleichsabgaben verhindert und Zuschüsse der Arbeitsagentur ermöglicht. Inklusion ist mehr als Integration. Man kann sie nicht verordnen, aber sie kann zum Gewinn für alle werden, wenn schwerbehinderte oder gleichgestellte Mitarbeitende ihre Stärken im Arbeitsalltag zeigen dürfen. Die Schwerbehindertenvertretung (SBV) gibt dieser Beschäftigtengruppe eine Stimme. Sie wird gewählt, wenn im Betrieb mindestens fünf Schwerbehinderte beschäftigt sind.
Rechtsgrundlage im Neunten Sozialgesetzbuch
Oft wird angenommen, die Schwerbehindertenvertretung sei Teil des Betriebsrats. Das ist falsch, auch wenn es eine enge Verflechtung der beiden Institutionen gibt. Anders als beispielsweise bei der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist das Recht der SBV nicht im Betriebsverfassungsgesetz geregelt, sondern im Neunten Sozialgesetzbuch (§§ 176 ff SGB IX). Der Betriebs- oder Personalrat wirkt auf die Wahl einer SBV hin, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten nimmt an den Sitzungen der Mitbestimmungsgremien und deren Arbeitsgruppen teil.
Amtsinhaber ist die Vertrauensperson
Apropos Vertrauensperson: So lautet die korrekte Bezeichnung für den gewählten Menschen, der das Amt der Schwerbehindertenvertretung ausübt. Einen Schwerbehindertenvertreter gibt es nach dem Gesetz nicht, und zwar aus gutem Grund: Das Wort wäre missverständlich. Vertrauensperson kann nämlich auch ein nicht behinderter Mensch sein, vorausgesetzt, er oder sie ist volljährig, mindestens sechs Monate dem Betrieb zugehörig, dort nicht nur vorübergehend beschäftigt, außerdem kein(e) leitende(r) Angestellte(r) und kein Inklusionsbeauftragte(r). Die Amtszeit der SBV beträgt wie beim Betriebsrat vier Jahre. Der Zeitraum für die Wahl weicht allerdings ab – beim Betriebsrat ist es März bis Mai, die SBV wird im Oktober oder November gewählt. Neben der Vertrauensperson soll es mindestens einen Stellvertreter geben.
Umfassende Aufgaben und Rechte
Die SBV genießt umfassende Rechte gegenüber dem Arbeitgeber und auch einen besonderen Schutz, zum Beispiel gegen Behinderung ihrer Arbeit, Versetzung oder Kündigung der Vertrauensperson. Seit Ende 2016 regelt das Bundesteilhabegesetz, dass die Kündigung eines Schwerbehinderten unwirksam ist, wenn die SBV nicht zuvor angehört wurde. Empfehlenswert ist der Abschluss einer Inklusionsvereinbarung (§ 166 SGB IX) zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat und SBV. Darin können insbesondere die Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsumfeld, Arbeitsorganisation, Arbeitszeiten und Personalplanung geregelt werden. Um in allen Rechten und Pflichten sattelfest zu sein, empfiehlt sich ein SBV Seminar. Entsprechende Angebote gibt es sowohl für Einsteiger als auch für erfahrene Vertrauenspersonen. Sich schnell wandelnde Rechtsgrundlagen, insbesondere im Sozialversicherungsrecht, und aktuelle Urteile machen eine ständige Auffrischung des Wissens erforderlich. Die SBV muss nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber mit fundiertem Wissen auftreten – oft ist die Vertrauensperson besser informiert als der HR-Bereich und leistet deshalb wichtige Unterstützung. Auch für ihre Kontakte zu Behörden, Sozialversicherungsträgern, Vereinen und Verbänden oder dem Sozialgericht muss die Vertrauensperson gerüstet sein. Ernst genommen wird die SBV nur, wenn Gespräche unter Fachleuten auf Augenhöhe stattfinden. Das kann anstrengend werden, wenn es um Leistungen der Arbeitsagentur, des Integrationsamtes oder der Rentenversicherung beispielsweise für eine Reha-Maßnahme geht.
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